Es war eine kurze Glanzzeit. Nicht einmal ein Jahr lebte Indiens wohl bissigstes Satire-Projekt: Am Donnerstag ging die Facebook-Seite “Humas of Hindutva” endgültig offline. Erst im April war sie gestartet – und erreichte schnell mehr als 100.000 Abonnenten.
Hindutva ist eine Ideologie, die eine stärkere Rolle des Hinduismus in der indischen Politik fordert. Dieser Hindu-Nationalismus richtet sich in seiner radikalen Ausprägung häufig gegen Minderheiten und wurde in den vergangenen Jahren immer dominanter auf dem Subkontinent.
“Humans of Hindutva” nahm die Bewegung humoristisch ins Visier: Da steht zum Beispiel der hindu-nationalistische Premierminister Narendra Modi in einem Forschungslabor – und lässt sich erklären, wie alle Volksfeinde nun ein Blumenkohlgericht als Hirn-Ersatz implementiert bekommen. Durch die Operationen würde ihn künftig noch mehr Menschen lieben, erklärt ihm Forscherin.
Zum Ziel der Humor-Attacken wurden auch fanatische Kuhschützer, die in Indien immer wieder in Mobs auf Muslime oder andere vermeintliche Rindfleischesser losgehen. “Human of Hindutva” nahm aber auch Sittenwächter aufs Korn oder thematisierte die zunehmende staatliche Überwachung der Inder. Es sind erste Themen, die den Alltag progressiver Inder und zunehmend schwieriger machen.
Doch nun zieht sich der anonyme Satiriker zurück. Unbekannte Männer hätten ihn plötzlich angerufen und ihn bedroht, erklärte er indischen Medien. “Ich möchte nicht wie Gauri Lankesh oder Afrazul Khan enden”, schreibt er in einen seiner letzten Postings. Gauri Lankesh ist eine ermordete kritische Journalistin. Afrazul Khan ein Muslim, der vor wenigen Wochen von einem fanatischen Hindu vor laufender Kamera getötet wurde. “Noch mehr als um mich sorge ich mich um meine Familie. Ich hoffe, dass diejenigen, die mich bedroht haben, dies als einen Sieg betrachten und uns in Ruhe lassen.”
Der Fall zeigt, wie es um die Meinungsfreiheit in Indien bestellt ist. Zwar gibt es zahlreiche Zeitungen, die recht unabhängig berichten. Immer wieder kommt es jedoch zu Drohungen oder sogar Gewalt gegen kritischen Journalisten.
Und auch Satire hat es auf dem Subkontinent schwer. Im Juni ermittelte die Polizei gegen die Comedy-Truppe All-India Bakchod. Sie hatte ein Bild des Premierministers Narendra Modi gepostet hatte, dass zuvor durch einen Hunde-Filter von Snapchat bearbeitet wurde.
Kritiker werfen der hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Partei von Regierungschef Narendra Modi immer wieder vor, zu wenig gegen Intoleranz tun– oder diese sogar zu befeuern. Auch der Texter der Comedy-Gruppe All-India Bakchod, Pulkit Arora, kritisierte nach dem Ende von “Hindus of Hindutva” den indischen Regierungschef.
Bevor dieser an die Macht gekommen sei, seien die Leute nicht empfindlich gewesen. Gleichzeitig hätten die Behörden Andersdenkende. ”Der Staat beschützt dich nicht, wenn jemand beschließt, außerhalb des Gesetzes zu handeln”, sagte er gegenüber dem Guardian.
Der anonyme “Humans of Hindutva”-Gründer ist auch wohl nach seiner Aufgabe noch nicht aus der Schusslinie. Derzeit muss er sich noch gegen Fake-News-Gerüchte wehren. Bereits im Dezember schaltete er die Seite das erste Mal ab. Plötzlich zirkulierten in Sozialen Medien ein manipulierter Screenshot, der belegen sollte, dass die Seite von Facebook wegen Hassrede geblockt wurde. Das überzeugte so viele, dass sich der Satiriker noch einmal gezwungen sah, die Seite zum Gegenbeweis noch abermals zu aktivieren. Erst am Donnerstag schaltete er sie endgültig ab.