Das Interview mit Philipp Rösler in der vietnamesischen Strandmetropole Da Nang muss einen Moment warten: Erst will ein vietnamesischer Fan ein Foto mit dem früheren Vizekanzler und FDP-Chef. Der Ex-Politiker ist es gewohnt, in seinem Geburtsland wie ein Star behandelt zu werden. Als eine Dame im Hotelaufzug ihn auf Vietnamesisch anspricht, betont er aber sofort: „I am German.“ Ebenso entschieden antwortet Rösler, der derzeit noch Vorstandsmitglied des Weltwirtschaftsforums ist, auf Fragen nach seinem künftigen Job bei der Stiftung des chinesischen HNA-Konzerns: Kein Kommentar zu dem Engagement bei dem als intransparent kritisierten Deutsche-Bank-Großaktionärs. Reden will Rösler nur über den Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft Apec, für den er nach Vietnam gereist ist.
Herr Rösler, sind Vietnam-Reisen für Sie etwas Besonderes?
Sie waren intellektuell schon immer etwas Besonderes, aber nicht so sehr emotional. Aber nach mehreren Reisen bewegt einen das mittlerweile schon, wenn man so nett Willkommen geheißen wird und wenn die Vietnamesen einen als einen der ihren ansehen. Die Menschen sind so stolz. Zwischenzeitlich bin ich auch wirklich emotional bewegt.
Sie betonen hier aber immer wieder, dass Sie Deutscher sind. Wie gerade im Aufzug.
Wenn Sie so aussehen wie ich und noch dazu in Vietnam sind, wo für Außenstehende alle so ähnlich aussehen, und Sie dann Deutsch sprechen, dann stellen sich die Leute schon Fragen. Und das erklärt man dann aus Höflichkeit.
Vietnam galt noch vor einem Jahr als einer der Hauptprofiteure des transpazifischen Freihandelsabkommens TPP. Dann verkündete Donald Trump den Ausstieg der USA. Was raten Sie den Vietnamesen jetzt?
Sie müssen die Realität akzeptieren und danach handeln. Jetzt besteht TPP dann nur noch aus elf Staaten. Das ist schade, auch für Vietnam. Aber man muss trotzdem das Beste daraus machen. Ich habe gespürt, dass es den Willen dazu gibt.
Die elf verbliebenen TPP-Länder ringen gerade um einen Handelspakt ohne die USA. Sind Sie optimistisch, dass sie sich einigen können?
Jedenfalls ist der große Wunsch da. Das habe ich hier mitbekommen.
Donald Trump versucht unterdessen bilaterale Handelsdeals in Asien abzuschließen.
Die Grundidee war immer, dass multilaterale Vereinbarungen die beste, und bilaterale die zweitbeste Lösung sind. Für einen deutschen Mittelständler macht es einen Unterschied, ob er beim Export fünf Abkommen durchschauen muss oder nur eines. Aber auch bilaterale Abkommen sind besser als nichts.
Die USA mischen bei der Globalisierung also weiter mit?
Die Globalisierung wird auf jeden Fall weitergehen, man kann sie nicht aufhalten. Dass auch die USA nicht gegen die Globalisierung sind, zeigt jetzt Trumps Asienreise – eine der umfangreichsten eines US-Präsidenten bisher.
Europa hält sich in Asien noch zurück.
Die EU verhandelt Freihandelsabkommen mit einzelnen Ländern in Asien. Es würde aber auch Sinn machen, mit der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean ein multilaterales Abkommen abzuschließen. Diesen Appell habe ich auch an die südostasiatischen Länder gerichtet.
In Ländern wie Thailand, wo eine Militärjunta herrscht, und auf den Philippinen, wo die Regierung einen brutalen Anti-Drogen-Krieg führt, liegen die EU-Freihandelsgespräche wegen der Menschenrechtsprobleme auf Eis.
Die EU lässt sich da von ihrem Wertegerüst leiten. Das ist logisch und konsequent.
Sie haben 2012, als Sie als Wirtschaftsminister nach Vietnam kamen, in einer Rede in Hanoi gesagt: „Wirtschaftliche Freiheit gibt es nicht ohne gesellschaftliche Freiheit.“ Sehen Sie das heute immer noch so?
Das war ein Zitat von Otto Graf Lambsdorff – das war einer der größten Wirtschaftsminister, die Deutschland je hatte. Das ist mein Leitgedanke gewesen und das war immer auch Teil meines Handelns über meine ganze Zeit als Bundesminister für Wirtschaft und Technologie.
Wie beurteilen Sie, dass stattdessen das chinesische Gesellschaftsmodell in Asien immer mehr Anhänger bekommt?
Wir sind eine internationale Organisation, die zu unterschiedlichen Gesellschaftsmodellen keine Stellung bezieht.
Sie sehen es heute also nicht mehr als Ihre Aufgabe, gesellschaftliche Freiheit hochzuhalten?
Es ist meine Aufgabe eine unparteiische Plattform zu bieten und die Menschen zum Dialog zusammenzuführen. Ich bin kein Politiker mehr, führe aber Politiker unterschiedlichster Meinungen zusammen.
In Deutschland stößt Chinas wachsender Einfluss zunehmend auf Skepsis.
Wenn Sie Anhänger von offenen Märkten sind, die fairen Wettbewerb möglich machen, dann müssen Sie auch alle Marktteilnehmer zulassen, die sich an die Regeln halten. Ich glaube das können wir in Deutschland ganz gelassen sehen. Solange die Politik die Regeln gut aufstellt, sollte sie sich in das Spiel nicht einmischen. Das ist eine urliberale Auffassung.
China treibt nun mit dem Freihandelsabkommen RCEP seine eigene Handelspolitik voran. Das Land könnte damit die Spielregeln des Handels in Asien bestimmen. Ist das ein Problem?
Sie machen ein Angebot, dann gibt es Angebot und Nachfrage. Entweder es wird angenommen oder nicht. Wer das anders sieht, sollte Alternativvorschläge machen.