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Wasser in der Wüste

Im Nahen Osten sieht es düster aus. Dennoch kommen viele Innovationen aus der Region.

Philipp Mattheis Von Philipp Mattheis
15. Oktober 2016, Ägypten, China, Philippinen, Türkei

Philipp Liebe Leserinnen und Leser, im Nahen Osten sieht es düster aus: Im Nordirak rückt gerade eine Koalition auf Mosul vor, die größte vom IS gehaltene Stadt. Angesichts der 1,5 Millionen Menschen, die dort leben, droht eine humanitäre Katastrophe. In Syrien tobt seit über vier Jahren einer der grausamsten Bürgerkriege des Jahrhunderts. Ägypten (siehe Interview) steckt in einer schweren Wirtschaftskrise. Der niedrige Ölpreis belastet die Haushalte der Golfstaaten. Nahezu alle Staaten der Region haben ein demographisches Problem: Die Geburtenraten sind so hoch, dass selbst ein starkes Wirtschaftswachstum nicht genug Arbeitsplätze für alle dieser Menschen schaffen kann. Soziale Unruhen sind somit programmiert.

Und doch gibt es Lichtblicke. Vergangene Woche besuchte ich eine Startup-Konferenz in Istanbul. Fast alle Teilnehmer, die ihre Unternehmen vorstellten, kamen aus der Region. Zwei Dinge fielen auf: Zum einen schlicht die Tatsache, dass es auch in Regionen, die instabil sind, Menschen gibt, die innovativ sind. Eine junge Syrerin, die in die Türkei geflüchtet war, stellte im Kopftuch ein Daten-Analyse-Startup rund 1000 Zuhörern vor. Übrigens gehen die meisten Unternehmensneugründungen 2015 in der Türkei auf Syrer zurück. Eine andere Teilnehmerin aus Saudi-Arabien präsentierte im Superman-Kostum und Kopftuch.

Interessanter ist die Tatsache, dass es gerade auch in Schwellenländern ein großes Potenzial für Startups gibt, die speziell auf die Bedürfnisse dieser Märkte zugeschnitten sind. In Pakistan leben viele Menschen weit entfernt vom nächsten Arzt. Eine App verknüpft Ärzte, Patienten und Apotheken und macht so eine Online-Behandlung möglich. Ein marokkanisches Unternehmen stellt Terminals in Behörden auf, die per Mausklick persönliche Urkunden ausdrucken. Das ist eine gewaltige Erleichterung in Ländern, in denen man für jeden Behördengang vier notarielle Beglaubigungen braucht und Beamte dafür schmieren muss.

Innovationen müssen nicht zwangsläufig auf den reifsten Märkten entstehen. Gerade in Schwellenländern mit ihren spezifischen Problemen gibt es gewaltige Chancen. Das vielleicht beste Beispiel ist die chinesischen E-Commerce-Plattform Taobao, die zum gewaltigen Alibaba-Konzern gehört. Weil viele Chinesen in entlegenen Gebieten leben, und viele Produkte nur in den großen Metropolen erhältlich sind, konnte sich E-Commerce hier besonders schnell durchsetzen.

Haben Sie Fragen, Kritik oder Anregungen? Schreiben Sie mir an philippmattheis@8mrd.com.

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Ein schönes Wochenende aus Istanbul wünscht

Philipp Mattheis

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