Recep Tayyip Erdogan

Hauptsache das Geschäft läuft

Investoren erhoffen sich von dem Verfassungsreferendum in der Türkei mehr Stabilität.

Philipp Mattheis Von Philipp Mattheis
11. April 2017, China, Türkei
Wahlkampf-Plakate in Istanbul

Philipp Liebe Leserinnen und Leser, noch weniger als eine Woche bis zum Referendum in der Türkei. Am Ostersonntag werden die Türken darüber abstimmen, ob sie ihrem Präsidenten Erdogan noch mehr Macht geben wollen. Denn darauf läuft das Präsidialsystem hinaus. Der Ausgang ist noch unklar, die Umfragen deuten auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin. Aus wirtschaftlicher Sicht fallen zwei Dinge auf: Zum einen gibt es seitens der Investoren und Unternehmer eine leichte Präferenz zu einem Ja. Das liegt vor allem daran, dass man sich von einem positiven Ausgang der Abstimmung mehr Stabilität erwartet. Sollte die Türkei gegen den Verfassungsentwurf stimmen, wird die Lage unberechenbar. Denn es ist schwer vorstellbar, dass Erdogan ein Nein akzeptieren kann.

Zum anderen fällt auf: Bisher sind die wirtschaftlichen Schäden der türkischen Politik überschaubar. Zwar ist das Wachstum von über fünf auf knapp drei Prozent eingebrochen. Inflation und Arbeitslosigkeit liegen mit elf Prozent so hoch wie seit 2010 nicht mehr. Doch angesichts der außen- und innenpolitischen Verwerfungen kann man das Glas eben auch als halb voll bezeichnen: Die Türkei verzeichnete im vergangenen Jahr sogar ein Plus an Investitionen und Kapitalzufuhr.

Das bedeutet: Wirtschaft und Politik folgen nicht immer deckungsgleichen Motiven. Aus politischer Sicht mag es zynisch erscheinen, wenn deutsche Konzerne noch immer gutes Geld in einem Land verdienen, das in eine Diktatur abzugleiten droht. Aus wirtschaftlicher Sicht aber geht es vor allem um Stabilität. So ist es denkbar, dass die Türkei ähnlich wie China und Russland oder auch Saudi-Arabien, zu einem „Partner“ wird, der zwar massive Demokratiemängel aufweist, mit dem sich aber gute Geschäfte machen lassen.

Haben Sie Fragen, Kritik oder Anregungen? Schreiben Sie mir an philippmattheis@8mrd.com.

Das könnte Sie auch interessieren:

Eingesperrt: Nach 50 Tagen Haft hat der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel erstmals konsularische Betreuung erhalten. Er muss aber weiter in Haft bleiben. Ihm wird „Terrorpropaganda“ vorgeworfen.

Durchgedreht: Ein Hindu-Priester schickt „Anti Romeo Squads“ durch die Straßen des indischen Bundesstaats Uttar Pradesh, um Frauen zu beschützen. Darüber berichtet Frederic Spohr für 8MRD.

Abgehoben: Vor rund 30 Jahren war Shenzhen ein verschlafenes Fischerdorf in der Nähe Hongkongs. Heute leben hier 15 Millionen Menschen. Der Economist widmet dem Pear River Delta (PRD) einen Special Report. Hier ein Text von mir aus dem Jahr 2014 über Chinas innovativste Region.

Ein schönes Wochenende aus Istanbul wünscht

Philipp Mattheis

Sind Sie noch kein Newsletter-Abonnent? Hier können Sie ihn bestellen.

Hinterlasse einen Kommentar


*