Als Produktionsland war Kambodscha bisher nur bekannt für seine Textilien. Doch nach dem Willen einer amerikanischen Firma soll der südostasiatische Staat bald noch ein anderes Produkt im großen Stil exportieren: Muttermilch.
In einem Slum der Hauptstadt Phnom Penh hat das Unternehmen Ambrosia Labs bereits seit Monaten überschüssige Muttermilch von Kambodschanerinnen abgekauft, um sie anschließend in den USA vertreiben. Doch nun hat die Kambodschas Regierung dem Geschäft ein Ende gesetzt: Das Kabinett hat beschlossen, „Maßnahmen zu ergreifen, um sofort den Kauf und Export von Muttermilch von Müttern aus Kambodscha zu unterbinden“, heißt es in einem Schreiben an das Gesundheitsministerium. Auch wenn Kambodscha arm sei, müssten die Mütter im Land nicht ihre Milch verkaufen, schreibt die Regierung.
Die Debatte dürfte damit jedoch noch nicht enden, zu verlockend scheint die Idee: Unterschiedliche Lohnniveaus werden nicht mehr nur von der Industrie genutzt. Schon seit Jahren nutzen Paare mit Fortpflanzungsproblemen aus reichen Industriestaaten, dass Leihmütter in Schwellenländern für ein relativ geringes Honorar deren Kinder austragen. Nach dem Wusch von Ambrosia Labs könnten Frauen aus ärmeren Staaten nun so etwas wie die Ammen der Moderne werden – zum Nutzen aller Beteiligten, wie das Unternehmen verspricht. Die Globalisierung hat die Muttermilch erreicht.
Klar ist: Der Bedarf an Muttermilch ist größer als das Angebot. Manche Mütter können aus medizinischen Gründen ihren Kindern nicht die Brust geben, andere haben keine Lust darauf. Weil Muttermilch jedoch als sehr gesund gilt, hat sich in den USA zwischen Privatpersonen bereits einen reger Online-Handel entwickelt, zum Beispiel über die Börse „Only the Breast“. Dort verlangen Frauen für ihre Muttermilch bis zu 3 US-Dollar für 30 Milliliter.
Auch in Deutschland startete 2014 eine Milchmutter-Börse. Gründerin Tanja Müller hat jedoch aus Zeitmangel und wegen bürokratischer Hürden wieder aufgegeben. In Deutschland gibt es zudem über ein Dutzend Milchbanken. Sie stehen jedoch vorwiegend Frühchen zur Verfügung und sind nicht gewinnorientiert.
In den USA sind neben Non-Profit-Milchbanken mittlerweile aber auch mehrere Firmen auf dem Markt. Indem Ambrosia Labs seine Milch aus Kambodscha bezieht, hat es einen Kostenvorteil: In Amerika bekommen Mütter, die an einen kommerziellen Anbieter spenden, etwa 5 US-Dollar für 150ml Muttermilch. Die Frauen in Kambodscha bekommen für knapp 150 Milliliter dagegen nur rund 3,2 US-Dollar. Nach Transport, Tests und Pasteurisierung verkauft Ambrosia Labs die Milch schließlich in Amerika für 20 US-Dollar pro 150 Milliliter.
Was das Unternehmen und seine Unterstützer als fortschrittliche Entwicklungshilfe sehen, ist für die Gegner nichts anderes als Ausbeutung. Mittlerweile haben sich auch die Vereinten Nationen eingeschaltet. “Muttermilch-Banken sollten nicht für Profit und kommerzielle Zwecke verletzliche und arme Kambodschanerinnen ausbeuten”, teilte eine Sprecherin der Unicef in einem Statement mit. Sie sei eine Substanz des Körpers, genauso wie Blut. „Deswegen sollte eine Kommerzialisierung nicht unterstützt werden.”
Das Unternehmen verteidigt sich gegen die Vorwürfe. Man habe bereits 90 Frauen finanziell geholfen und ihnen ermöglicht, statt zu arbeiten, bei ihren jungen Kindern zu bleiben, teilt es mit. Muttermilch zu verkaufen, ermögliche den Frauen ihr Einkommen deutlich zu erhöhen. Angesichts der Armut in dem Land ist dieses Argument sicherlich berechtigt: Das Pro-Kopf-Einkommen liegt bei etwas mehr als drei US-Dollar pro Tag. Die Frauen sagen, sie könnte bis zu zehn US-Dollar pro Tag durch den Verkauf ihrer Milch verdienen.
In einem Video und in Interviews haben sie sich die Mütter deswegen dafür ausgesprochen, weiterhin für Ambrosia Labs arbeiten zu dürfen. Doch genau weil der Verkauf so lukrativ ist, befürchten die Kritiker, dass die Ernährung der eigenen Kinder leiden könnte. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, Babys in den ersten sechs Monaten ausschließlich mit Muttermilch zu ernähren. Bis mindestens zum Alter von zwei Jahren sollte ihnen zusätzlich zur normalen Nahrung weiterhin die Brust gegeben werden.
Ambrosia Labs sieht keine Gefahr, dass die Kinder der Kambodschanerinnen zu kurz kommen: Man arbeite prinzipiell nur mit Müttern zusammen, deren Kinder älter als sechs Monate seien, teilt das Unternehmen mit. „Wir erklären unseren Spenderinnen genau, wie wichtig es ist, dass die Bedürfnisse ihrer Kinder zuerst gestillt werden.“
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