Liebe Leserinnen und Leser, heute Nacht wurde in der Türkei der Führer der prokurdischen Partei HDP festgenommen. Facebook und Whatsapp waren am Freitagmorgen gesperrt. Mal angenommen, die 14 festgenommenen Journalisten der Tageszeitung Cumhuriyet haben tatsächlich die PKK oder die Gülen-Bewegung unterstützt. Mal angenommen, der Ausnahmezustand wird im Januar nicht verlängert. Mal angenommen, über die Wiedereinführung der Todesstrafe wird gar nicht erst abgestimmt. Der Kurdenkonflikt wird friedlich beigelegt, PKK und ISIS hören auf mit ihren Anschlägen. Can Dündar übertreibt maßlos mit seiner Warnung, die Türkei rutsche in eine „islamofaschistische Diktatur“ ab.Mal angenommen, die Türkei kehrt in zwei Monaten zur Normalität zurück. Was wäre dann geblieben?
Selbst im positivsten aller annehmbaren Szenarien ist die Bilanz für die Türkei nicht gut: Ein Präsident, der mit seinem Gepoltere fast sämtlichen Freunde und Verbündeten verschreckt hat. (Nur mit Putin hat er sich versöhnt). Das Land ist mittlerweile in drei militärische Konflikte verwickelt: in Syrien, im Irak und im eigenen Südosten.
Alle übrigen Szenarien sind ohnehin finsterer – und leider wahrscheinlicher: Die Einschränkung der Pressefreiheit könnte ein weiterer Schritt Richtung Diktatur sein.
Wirtschaftlich zeigen sich die Folgen langsam. Ein Euro ist jetzt fast 3,5 türkische Lira wert. 2011 waren es noch 2,5. Große Konzerne planen langfristig, deren Investitionen werden nicht kurzfristig abgeblasen. Anders aber sieht es bei kleineren Mittelständlern aus. Auch wenn die Lage vor Ort oft weniger bedrohlich ist als vom Schwarzwald aus gesehen – wie ein sicherer Investitionsstandort wirkt die Türkei gerade nicht. Mit etwas Verzögerung wird das Land das zu spüren bekommen.
Haben Sie Fragen, Kritik oder Anregungen? Schreiben Sie mir an philippmattheis@8mrd.com.
Das könnte sie auch interessieren
So will Google Indien erobern: Google sieht sich an der Speerspitze, wenn es um die Überwindung der „digitalen Spaltung“ in Indien geht. Mit einer Mischung aus Philanthropie und knallharten wirtschaftlichen Interesse drängt der Gigant auf einen der größten Märkte der Welt.
Deutsche Industriepolitik in China versagt: Unterdessen wehrt sich Sigmar Gabriel zum ersten Mal gegen die protektionistische, aber gleichzeitig im Ausland aggressive Wirtschaftspolitik Pekings. Dafür aber dürfte es zu spät sein. China ist längst zu mächtig geworden.
Mongolische Extreme: Als Land mit volatilsten Wachstumsraten dürfte die Mongolei einen der Top-Plätze belegen: 2011 stieg das BIP um 17 Prozent, 2013 immerhin noch um 12 Prozent. Jetzt braucht das Steppenland einen Kredit vom IWF
In China explodieren die Immobilienpreise. Experten warnen bereits vor dem Platzen einer gigantischen Blase. In den Metropolen Peking, Shanghai und Shenzhen sind die Preise innerhalb eines Jahres um bis zu 50 Prozent. Das bringt manche Chinesinnen auf Ideen
Irgendwo muss man ja schlafen – in unserer neuen Reise-Kolumne stellen wir berühmte und besondere Hotels in Asien vor. Den Anfang macht das Peninsula in Hongkong.
Ein schönes Wochenende aus Istanbul wünscht
Philipp Mattheis
Sind Sie noch kein Newsletter-Abonnent? Hier können Sie ihn bestellen.