Hunderttausende Tibeter und Nepalesen suchen derzeit auf über 3500 Metern Höhe einen Pilz, der kostbarer ist als Gold. Sie stöbern am Erdboden nach Stengeln des Yarsagumba – einem Parasit, der in der Erde versteckte Raupen befällt und diese komplett mumifiziert. Angeblich wirkt der Yarsagumba aphrodisierend und das hat seinen Preis: Für das „Viagra des Himalayas“, wie der Yarsagumba oft genannt wird, sollen in Singapur bereits bis zu 130.000 US-Dollar für ein Kilogramm bezahlt worden sein.
Doch laut Berichten wird Suche nach dem Pilz immer erfolgloser: In Mandang in Nepal, einer der zwölf Distrikte, in denen der Pilz gesammelt wird, seien viele der Sammler dieses Jahr leer ausgegangen, schreibt die nepalesische Zeitung “The Himalayan Times”. Wissenschaftler warnen schon länger davor, dass der kostbare Pilz zu intensiv gesammelt wird: In Befragungen geben Sammler an, dass die Suche immer aufwendiger wird, die Erträge aber sinken. Der deutsche Ökologe Daniel Winkler verlangt, man müsste den Sammlern zumindest erklären, wie man den Pilz nachhaltig nutzen könnte, beispielsweise durch eine Verkürzung der Erntezeit. „Angesichts der Abhängigkeit der Bevölkerung ist das von absoluter Wichtigkeit“, fordert Winkler in einer Studie.
Der Pilz hat das tibetische Hochplateau dramtisch verändert: Anders als andere Rohstoffe wie Gold oder Öl kommen die Erträge direkt den Bürgern zugute. Tausende Nepalesen und Tibeter konnten dank des Yarsagumba der Armut entkommen. Gleichzeitig kamen neue Probleme auf die Bergbewohner zu: Einige versoffen ihren plötzlichen Reichtum und wurden Alkoholiker, wie eine Studie zeigt. Teilweise hat die Pilz-Jagd auch schon zu bewaffneten Kämpfen zwischen konkurrierenden Sammler-Gruppen geführt und der Dalai Lama musste zur Ruhe aufrufen.
Für die einzelnen Regionen ist es schwierig, das Sammeln des Pilzes zu kontrollieren. Angesichts der sonst so niedrigen Löhne in der Region ist keine andere Beschäftigung so attraktiv. Die Behörden haben sogar Probleme, den Schulbetrieb in einigen Regionen sicherzustellen: Lehrer und Schüler gehen lieber Pilze sammeln.
Sollte der Pilz künftig zur Neige gehen, hätte das verheerende Konsequenzen: Denn für die Sammler ist der Pilz mehr als nur ein kleines Zubrot – für viele ist er die Lebensgrundlage geworden. Mittlerweile ist das Bio-Viagra zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor in der Grenzregion von Tibet und Nepal aufgestiegen. Ein Sammler könne während der Erntezeit zwischen Mai und Juli durchschnittlich rund 1000 Euro verdienen, heißt es in einer in diesem Jahr veröffentlichten Studie der nepalesischen Zentralbank. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt in Nepal niedriger als 1000 Euro.
Zwar wird der Pilz bereits seit Jahrhunderten eingesammelt. Doch mit dem Aufschwung Chinas stieg auch die Zahlungsbereitschaft der Käufer und damit die Zahl der Sammler stark an. In der chinesischen Elite ist der Yarsagumba ein beliebtes Geschenk. Beobachter gehen davon aus, dass der Markt die Größe von rund 11 Milliarden Dollar erreicht hat. Allerdings könnte das schwächelnde Wachstum in China dazu führen, dass auch die Nachfrage geringer wird – und die Preise trotz geringeren Angebotes fallen könnten.
Der Pilz soll übrigens nicht nur potenzsteigernd wirken: Er soll unter anderem auch gegen Krebs und Rückenschmerzen helfen sowie gut für die Nieren sein. Auf großes Interesse stieß das angebliche Heilmittel, als eine chinesische Läufermannschaft 1993 ihren Erfolg auf eine Suppe mit Schildkrötenblut und dem Yarsagumba zurückführte – Beobachter gehen aber eher davon aus, dass sie wohl eher Doping zu sich nahmen.