Liebe 8MRD-Leser, die „Panama Papers“ haben in der vergangenen Woche die Schlagzeilen bestimmt. Russlands Präsident Vladimir Putin vermutet – wie immer – eine Verschwörung der CIA und des Westens. Eigentlich gibt es nur einen Staatschef, der Putin in seiner Vorliebe für Verschwörungstheorien übertrifft: Der türkische Präsident Tayyip Erdogan. Sei es die CIA, die Gülen-Bewegung, die PKK oder die „internationale Zinslobby“ – irgendjemand muss immer hinter dem Unheil stecken.
Diese Woche wurde in der Türkei ein neuer Zentralbank-Chef ernannt. Murat Cetinkaya ist mit 40 Jahren der jüngste Vorsitzende des Organs – und er wird keinen leichten Job haben. Die Inflation in der Türkei liegt bei rund neun Prozent. Das ist keine Katastrophe für ein Schwellenland – vor allem, wenn man bedenkt, dass vor dem Regierungsantritt der AKP 2002 Inflationsraten von 50, 60 Prozent keine Seltenheit waren. Nötig aber sind hohe Zinsen, um die Inflation zu bremsen. Der Präsident Erdogan sieht das anders. Er ist der Meinung, die hohen Zinsen würden die Inflation erst verursachen, und fordert Zinssenkungen. Dass das jeder ökonomischen Theorie widerspricht, interessiert Erdogan nicht weiter.
Durch die Flüchtlingskrise hat der türkische Präsident ohnehin Oberwasser bekommen. Vor allem die beim Deal mit der EU herausgeschlagene Visa-Freiheit werden ihm viele Wähler danken. Bevor jetzt gleich wieder xenophobe Glocken klingeln: Deutsche dürfen seit Jahrzehnten ohne Visum in die Türkei einreisen. Ob der Flüchtlingsdeal gelingen wird, ist allerdings eine andere Frage. Ich habe mich vor zwei Wochen mit einem Schleuser aus Istanbul unterhalten: Omar (das ist nicht sein richtiger Name) hat sein Reisebüro zwar vorübergehend geschlossen, glaubt aber nicht, auf Dauer arbeitslos zu sein.
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Das Kapital verlässt die Schwellenländer:Vor zehn Tagen veröffentlichte der IWF eine Studie zum Kapitalabfluss in Schwellenländern. Die schlechte Nachricht: Seit 2010 nimmt der Strom von neuem Kapital in Schwellenländern stetig ab. Die gute Nachricht: Bisher sind die großen Krisen ausgeblieben. Mehr dazu hier.
China außenrum: Investoren sind weltweit in Begeisterung ausgebrochen. Chinas Exporte steigen wieder. Die Ausfuhren wuchsen im März um 11,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das war das kräftigste Wachstum seit mehr als einem Jahr. Es ist aber wahrscheinlich, dass es sich nur um ein Strohfeuer handelt: Chinas Probleme sind struktureller Art und werden die Weltkonjunktur noch eine Weile beschäftigen.
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Auf unserem Bevölkerungsticker hat die Volksrepublik diese Woche übrigens eine weitere Millionen-Marke erreicht: Mittlerweile leben dort 1,381 Milliarden Menschen.
Viele Grüße aus Istanbul
Philipp Mattheis
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