Nachhaltigkeit

Sind Chinesen rücksichtsloser als Europäer?

Ein Ökonom untersucht mit Laborexperimenten, ob sich Schweizer und Chinesen im Markt unterschiedlich verhalten.

Frederic Spohr Von Frederic Spohr
6. Januar 2016, China
Industrie in der chinesischen Millionenstadt Chongqing Leo Fung, CC BY 2.0

Der Ruf chinesischer Unternehmen ist schlecht: Sie verschmutzen die Umwelt, beuten Arbeiter aus und um Urheberrechte kümmern sie sich auch nicht. Sind Chinesen einfach rücksichtsloser?

Björn Bartling, Assistenzprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Zürich, wollte das testen. Dabei kam heraus: Die chinesischen Versuchsteilnehmer agierten in Wettbewerbssitiuationen tatsächlich deutlich egoistischer als die Probanden in der Schweiz. Gemeinsam mit Kollegen publizierte er seine Forschung im  Quartely Journal of Economics.

In den Experimenten nehmen die Versuchsteilnehmer jeweils unterschiedliche Rollen ein: Es gibt Firmen, Konsumenten sowie eine dritte Gruppe, die durch das Verhalten der Marktteilnehmer beinträchtigt wird. Damit das Spiel möglichst realistisch ist, können die Probanden dabei echtes Geld einnehmen.

Die Firmen können den Verbauchern in jeder Runde ein fiktives “faires” oder ein “unfaires” Produkt anbieten. Bei “unfairen Produkten” sinken ihre Herstellungskosten und sie können das Produkt günstiger anbieten. In der Realität würde das zum Beispiel bedeuten, dass Unternehmen Abwasser ungesäubert ableiten. Im Spiel schaden sie damit den Mitgliedern der dritten Gruppe. Sie gehen nach dem Experiment mit geringeren Einkünften nach Hause.

Nicht per se egoistischer

Die Schweizer Versuchtsteilnehmer zeigten in den Versuchen eine relativ hohe Bereitschaft zum Kauf des fairen Produkts. Die chinesischen Probanden hingegen wählten häufiger das unfaire. „Den Teilnehmern in Schanghai hat es anscheinend deutlich weniger ausgemacht, mit dem von ihnen gekauften Produkt einen Dritten zu schädigen“, sagt Bartling in einem Interview mit der Schweizer Zeitung GDI Impuls. „Ihre Zahlungsbereitschaft, diesen Schaden zu vermeiden, war deutlich geringer.“

Die chinesischen Teilnehmer sind jedoch nicht per se unfairer, zeigten Bartlings Experimente. Nur bei einer Versuchsanordnung, die explizit der eines Marktes ähnelten, agierten die sie rücksichtsloser als die Probanden in der Schweiz.

Bartling hat bereits eine Vermutung, warum das so ist. In der Schweiz, die schon lange eine Marktwirtschaft hat, herrsche mittlerweile die Norm, dass aus rücksichtsloser Profitmaximierung langfristig ein Problem erwachsen könnte, sagt Bartling. „In China hingegen ist der Kapitalismus relativ neu…sodass eher der Eindruck herrscht, dass man alles tun kann, was einen Vorteil bringt.“

Das muss allerdings nicht so bleiben: Diskutiert man vor den Experimenten beispielsweise Themen wie Nachhaltigkeit, erhöhte sich der Marktanteil der fairen Produkte. Bartling vermutet auch, dass sich das Verhalten der Chinesen ändern könnte, wenn sie wohlhabender werden. Auch das hat er in den Versuchen bereits getestet, indem er den Probanden mehr Spielkapital zur Verfügung stellte.

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