Beim Klimaschutz will sich Indien künftig nach den Worten von Mahatma Gandhi richten. „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.“ Dieses berühmte Zitat hat die Regierung von Premierminister Narendra Modi in ihr 38-seitiges Klimaschutzversprechen geschrieben, das sie in der Nacht auf Freitag als letzte große Volkswirtschaft bei der UN-Klimaorganisation UNFCCC in Bonn einreichte.
Stark wachsende Wirtschaft
Gandhis Gedanken ziehen sich wie ein roter Faden durch die Zielvorgaben, die sich Indien als weltweit drittgrößter Verursacher von CO2-Emissionen im Vorfeld der Klimakonferenz in Paris auferlegt hat: Der Subkontinent möchte einerseits nicht auf starkes Wirtschaftswachstum verzichten, um die Bedürfnisse seiner noch zu großen Teilen in Armut lebender Bevölkerung zu erfüllen. Die Gier der Wirtschaft nach billiger, fossiler Energie will Indien aber gleichzeitig eindämmen.
So verspricht Modis Regierung, die Emissionsintensität in den kommenden anderthalb Jahrzehnten im Vergleich zu 2005 um ein Drittel abzubauen. Das bedeutet: Pro erwirtschafteter Rupie soll von Indien aus künftig weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen werden als noch vor zehn Jahren. Da die indische Ökonomie aber stark wächst – bis 2030 wird sie sich Prognosen zufolge verdreifachen – wird das Land in Zukunft deutlich mehr Emissionen ausstoßen als heute. Der Anstieg wird nur langsamer ausfallen als bisher.
Kein absoluter Abbau der Emissionen
Im Gegensatz zu anderen großen Klimasündern wie den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union oder Schwellenländern wie Brasilien und China verpflichtet sich Indien damit zu keiner absoluten Senkung des CO2-Ausstoßes. „Das ist ein sehr konservativer Ansatz“, kritisierte Durwood Zaelke, Experte für Klimawandel und Präsident des Instituts IGSD mit Sitz in Genf und Washington. „Indien könnte deutlich mehr machen.“
Die indische Regierung argumentierte in der Vergangenheit, es sei ungerecht, dass reiche Staaten, die in der Vergangenheit für den Großteil der Klimabelastung verantwortlich waren, nun von einem vergleichsweise armen Land weitreichende Zugeständnisse erwarten. Zudem beklagt man einen verzerrten Blick auf die Statistik: Als Ganzes betrachtet ist Indien zwar tatsächlich ein gigantischer Treibhausgasverursacher. Doch das Land ist mit seinen 1,3 Milliarden Bewohnern auch der zweitgrößte Staat der Welt. Pro Kopf gerechnet ist der CO2-Ausstoß der Inder bescheiden: Pro Jahr fallen 1,7 Tonnen an. Zum Vergleich: Jeder US-Bürger ist im Schnitt für die zehnfache Menge verantwortlich.
Kooperation mit Deutschland
Mit Blick darauf wird Indiens neue Selbstbeschränkung von einigen Umweltschützern auch begrüßt. Die Organisation Greenpeace spricht von einem Schritt in die richtige Richtung, bemängelt aber, dass das Land weiterhin auf einen Ausbau der Kohlekraft setzt. Modi will jedoch bis 2030 auch in der Energieerzeugung sauberer werden: 40 Prozent des Stroms sollen dann aus erneuerbaren oder anderen emissionsarmen Quellen stammen.
Allein in den kommenden fünf Jahren soll sich die Produktion von erneuerbaren Energien auf 175 Gigawatt verfünffachen. Unterstützung erhofft sich Modi dabei auch aus Europa. Bei einem für Montag geplanten Besuch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Neu Delhi steht nach Angaben von Diplomaten die Verabschiedung eines Kooperationsabkommens der beiden Länder auf der Agenda.