Indien

Modis Macht

Indiens Regierungschef dürfte 2018 auf Erfolgskurs bleiben. Weil die Opposition schwach ist. Und wenn es eng wird, macht er Stimmung gegen Minderheiten.

Ronald Meinardus Von Ronald Meinardus
2. Januar 2018, Indien
Indiens Regierungschef Narendra Modi bleibt erfolgreich. Foto: Arlington National Cemetery Folgen, CC BY-ND 2.0

Am Ende des mit harten Bandagen gefochtenen Wahlkampfes gab es keine echten Verlierer: „Die BJP gewinnt, die Kongress-Partei verliert nicht“ titelte die Wirtschaftszeitung „Business Standard“ nach Bekanntgabe der Ergebisse der Landtagswahlen in den Bundesstaaten Gujarat und Himachal Pradesh.

Im Fokus des Interesses standen die Wahlen in Gujarat, der Heimat von Ministerpräsident Narendra Modi. Hier hatte Modi drei Legislaturperioden regiert – und sich mit einer wirtschaftsfreundlichen Politik für den Spitzenjob auf nationaler Ebene profiliert. Zwar erreichte Modis hindunationalistische BJP nicht das eigens gesetzte hohe Wahlziel. Mit leichten Zuwächsen erringt die Partei aber eine Mehrheit der Mandate und wird zum sechsten Mal in Folge die Regierung bilden.

In der Schlussphase des Wahlkampfes war es nochmal spannend geworden, als der frisch gekürte Vorsitzende der Kongress-Partei Rahul Gandhi für Aufwind bei der Opposition sorgte: Am Ende siegte die Modi-Partei mit 49 Prozent der Stimmen aber deutlich. Beobachter werten die 41 Prozent für den Kongress als Achtungserfolg.

Während sich der junge Gandhi und seine Verbündeten über das Abschneiden in Modis Hochburg freuen durften, verlor die Traditionspartei im nordindischen Himachal deutlich, so dass auch in diesem Bundesland fortan die BJP das Sagen haben wird.
Indien ist wie Deutschland eine Bundesrepublik. In einem der 29 Bundesländer ist immer Wahlkampf; wie bei uns gelten die regionalen Urnengänge als wichtige Stimmungsbarometer.

Bis zu den nächsten nationalen Parlamentswahlen im Frühjahr 2019 ist es noch ein langer Weg. Die Konturen der politischen Zukunft Indiens bis weit ins nächste Jahrzehnt hinein sind indes schon heute erkennbar. Sie stehen im Zeichen des Siegeszuges von Narendra Modi und seiner BJP-Partei.

Mal staatstragend, mal polemisch

Die Farbe der Hindu-Nationalisten ist safrangelb: unter dem Banner der BJP ist die „Safronisierung“ – so nennen Kritiker den Prozess der Machtübernahme der Modi-Partei in allen Landesteilen – weit vorangeschritten: Hatten die BJP und ihre Verbündeten 2012 in sechs Bundesländern das Sagen, so hat sich diese Zahl inzwischen auf 19 erhöht.

Modis Macht hat viele Väter: Im Mittelpunkt steht eine nach hohen professionellen Standards geführte Massenpartei. Die BJP ist eng verbunden mit einer Vielzahl ideologisch nahestehender Vorfeldorganisationen. Diese spielen gerade in Wahlkampfzeiten eine wichtige Rolle bei der Massenmobilisierung. Angeführt wird die BJP von Amit Shah, einem engen Vertrauten Narendra Modis, der mit strategischem Weitblick und eiserner Faust die BJP zur grössten Volkspartei der Welt mit über 100 Millionen Mitgliedern ausgebaut hat.

Das Gespann Modi-Shah (beide stammen aus Gujarat) hat es verstanden, die BJP als Partei der wirtschaftlichen Entwicklung und zugleich des Hindu-Nationalismus in den Köpfen der Massen zu verankern. Entwicklung und Hindu-Nationalismus ist in Indien eine kaum schlagbare Kombination. Geschickt variieren die BJP-Strategen je nach Bedarf mit den Elementen der Strategie. Mal geht es bei den Wahlkampfauftritten Modis staatstragend um die wirtschaftliche Entwicklung. Wenn es eng wird und die Stammwähler mobilisiert werden müssen, greifen die BJP-Wahlkämpfer gern auch zu härteren Methoden und polemisieren gegen Minderheiten und Andersdenkende.

Der wichtigste Faktor für Modis Macht ist Modi selber: „Modi bleibt der mit Abstand populärste Politiker Indiens“, schreiben die Meinungsforscher des US amerikanischen Pew Research Center in einem aktuellen Bericht. Demnach haben neun von zehn Indern eine „positive“, sieben von zehn Indern gar eine „sehr positive“ Meinung über Modi. Die Beliebtheitswerte für den Regierungschef weisen in den Pew-Tabellen auch im dritten Amtsjahr ausnahmslos in die Höhe.

Für die BJP ist Modi nicht von ungefähr der wichtigste Wahlkämpfer. Der Regierungschef scheut nicht davor zurück, vor wichtigen Wahlen im Dienste der Partei durchs Land zu ziehen und feurige Reden zu schwingen: Im Vorfeld der Gujarat-Wahlen trat Modi auf nicht weniger als 30 Großkundgebungen auf.

„Wenn er in den kommenden Wahlen genauso eingesetzt wird wie jetzt in Gujarat, besteht die Gefahr, dass die Menschen bis 2019 seiner überdrüssig werden, dass eine Ermüdung eintritt“, schreibt Santosh Desai in „The Times of India“ und legt sodann ein gutes Wort für die lange gebeutelte Kongress-Partei ein. Diese, so Desai, habe zwar verloren, die Partei habe aber „nach einer langen Weile ansatzweise Widerstand geleistet“.

Schwache Opposition

Tatsächlich waren die großen Erfolge der BJP in den zurückliegenden Jahren in hohem Maße auch eine Folge der Schwäche der Kongress-Partei. Diese hat sich bis heute nicht von der schweren Niederlage bei den nationalen Parlamentswahlen von 2014 erholt.

Ein wesentlicher Grund für die Schwindsucht der Traditionspartei, die bei einer Landstagswahl nach der anderen unter die Räder kam, war die ungeklärte Führungsfrage. Durch Krankheit geschwächt hatte sich Parteichefin Sonia Gandhi weitgehend aus dem politischen Geschäft zurückgezogen. Derweil zierte sich der designierte Nachfolger Rahul Gandhi das Erbe offiziell anzutreten.

Wenige Tage vor den Landstagswahlen in Gujarat hat die Partei Rahul Gandhi, den Enkel Indira Gandhis und den Sohn Rajiv Gandhis (beides Ministerpräsidenten, die politischen Attentaten zum Opfer fielen) förmlich zum Parteichef gekürt.

Im Unterscheid zu Modi ist der junge Gandhi alles andere als ein Publikumsliebling. Viele Inder halten ihn für unerfahren, unentschlossen, und letztlich ungeeignet für das höchste Regierungsamt, das er als Chef der Opposition jetzt anstrebt. Die Traditionen der Traditionspartei gebieten, dass ein Mitglied des Gandhi-Clans die Partei anführt; der Name Gandhi ist der Kitt der die unterschiedlichen Interessengruppen zusammenhält, sagen die Experten.

Mit großem Elan hat sich der frisch gekürte Parteichef in den Wahlkampf gestürzt und dabei durchaus gute Zwischennoten geerntet. Dass die Partei jetzt in Modis Stammland zulegen konnte, werten politische Beobachter als einen guten Start für den Herausforderer.
Bevor Rahul Gandhi jedoch eine ernste Bedrohung für Narendra Modi werden kann, wird der 47-Jährige noch viel politisches Lehrgeld zahlen müssen.

Dr. Ronald Meinardus ist der Leiter des Regionalbüros Südasien der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit (FNF) in Neu Delhi. Twitter: @Meinardus

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