Hongkongs Aufstieg zur internationalen Finanzmetropole beginnt auf einer Hotelterrasse. Auf der Veranda des Hongkong Hotels – einer der ersten Luxusunterkünfte der britischen Kolonie, die 1866 unter der Führung des deutschen Abenteurers, Diplomaten und Geschäftsmanns Gustav Overbeck eröffnete – treffen sich die Aktienhändler der Metropole, um ihren Geschäften nachzugehen. 1891 beschließen sie, die erste Börse der aufstrebenden Metropole zu gründen. Die Betreiberfirma des Hotels, das ihnen als langjähriger Handelsplatz diente, wurde zu einem der ersten zehn gelisteten Unternehmen. Seinen zentralen Platz in der Geschichte von Hongkongs turbulenten wirtschaftlichen Aufstieg sicherte sich der Tourismuskonzern, der inzwischen unter dem Namen The Hongkong and Shanghai Hotels firmiert, aber erst drei Jahrzehnte später: mit dem legendären Hotelprojekt The Peninsula, das bis heute zu den besten Unterkünften der Stadt gehört.
Hotels sind – wenn es gut läuft – mehr als nur ein Schlafplatz in der Fremde. Sie sind Ausgangspunkt für neue Geschäfte, Abenteuer, Beziehungen. In der Zeit vor Internet und Billigfliegern waren sie der Ort, der der Globalisierung das Leben einhauchte. In fast allen aufstrebenden Metropolen Asiens findet sich ein Hotel, das besonders hervorsticht: ein Haus, das seine Stadt über Jahrzehnte durch Höhen und Tiefen begleitete, in dem Manager, Filmstars und Staatsgäste schliefen – und das Zeuge einer rasanten wirtschaftlichen Veränderung wurde. Diese legendären Hotels stellen wir hier künftig in einer Serie vor.
Unsere Serie beginnt an einem Ort, der in der Wirtschaftsgeschichte schon seit langem eine Sonderrolle einnahm: der Victoria Harbour in Hongkong. Der natürliche Hafen zwischen Hong Kong Island und der Halbinsel Kowloon machte die Metropole unter britischer Herrschaft zur wichtigsten Anlaufstelle für den Seehandel in Ostasien. Heute prägen die Bürohochhäuser mit leuchtenden Logos von Banken, Beratungsfirmen und Elektronikkonzernen die Skyline rund um die Meerenge.
Die Unternehmerfamilie Kadoorie, die ursprünglich aus Bagdad stammte und Ende des 19. Jahrhunderts Anteilseigner des Hongkong Hotels wurde, sah im Ufer des Victoria Harbour den idealen Ort für ihr ambitioniertes Projekt: Sie wollten dort das „feinste Hotel östlich von Suez“ errichten – das Peninsula als Wahrzeichen der Halbinsel Kowloon. Die Bauarbeiten begannen 1922 nur wenige Meter neben der Endstation der Kowloon-Canton-Railway, die über die transsibirische Eisenbahn Zugverbindungen bis nach Berlin und Paris ermöglichte. Wie eng das Hotel mit der Geschichte der Stadt sein würde, bekamen die Besitzer bereits vor der Eröffnung zu spüren: Die britische Armee übernahm das Haus kurz vor der Fertigstellung und machte daraus eine Unterkunft für ihre Soldaten. 14 Monate blieb die Armee, die sich für mögliche Auseinandersetzungen mit China bereit hielt, im Peninsula stationiert. Nach dem Auszug der Truppe war bereits vor dem Eintreffen des ersten regulären Gastes eine Renovierung nötig.
Bildergalerie: Von 1928 bis heute
Erst am 11. Dezember 1928 konnte das Hotel schließlich eröffnen. In den folgenden 13 Jahre etablierte sich das Peninsula als Zentrum des Hongkonger Gesellschaftsleben – bis die Weltpoltik erneut zu einem tiefen Einschnitt in der Hotelgeschichte führte: Nach zweieinhalb Wochen langen Gefechten mit den Japanern während des Zweiten Weltkriegs unterzeichnete Hongkongs Gouverneur Mark Aitchison Young am ersten Weihnachtsfeiertag 1941 im Peninsula die Kapitulation seiner Kolonie. Japanische Soldaten übernahmen daraufhin nicht nur die Kontrolle über die Stadt, sondern auch über das Luxushotel. Sie gaben ihm den Namen Toa und machten es zu ihrem Hauptquartier und einer Offiziersunterkunft. Bis 1945 dauerte die Herrschaft der Japaner, die ihre Kapitulation ebenfalls im Peninsula verkündeten.
Für die dynamische Stadt war die Zeit der Besetzung ein schwerer Rückschlag: Es kam zu Hyperinflation und Lebensmittelknappheit. Hongkongs Bevölkerung ging von 1,8 Millionen auf 600.000 zurück. Doch die Krise dauerte nicht lange: Hongkong fand binnen weniger Jahre zu seiner alten Attraktivität zurück. In den 50er Jahren lebten mehr als zweieinhalb Millionen Menschen in der Stadt. Hongkong wurde zu einem der asiatischen Tigerstaaten: Die Industrie erlebte ein rasantes Wachstum, geringe Regulierung machte die Metropole für den Finanzsektor attraktiv. Zwischen 1961 und 1997, dem Jahr, in dem Hongkong zu einer Sonderverwaltungszone Chinas wurde, stieg das Pro-Kopf-Einkommen fast um das Hundertfache.
Das Peninsula wurde zum Aushängeschild des Wirtschaftswunders: Es brachte mit dem Gaddi’s das erste gehobene französische Restaurant in die Stadt, prägte mit dem Club The Scene Hongkongs Disco-Ära und wurde mit dem Anbau eines Hochhauses in den 90er Jahren zum ersten Hotel der Metropole, das seinen Gästen Helikopterlandeplätze auf dem Dach bot. Wer heute vor der weißen Halbkugel des benachbarten Space Musuems Platz nimmt und den Blick über die alte Peninsula-Fassade Richtung Himmel wandern lässt, muss meist nur ein paar Minuten warten, um einen der Hubschrauber beim Landen oder Starten beobachten zu können. Am beliebtesten bei den Gästen sind Hafenrundflüge oder die Transfers zum Flughafen, die gerade einmal zehn Minuten dauern und umgerechnet rund 2500 Euro kosten. Gäste, die lieber in Ruhe das historische Ambiente des Hotels erfahren wollen, stehen täglich ab dem frühen Nachmittag in der Lobby Schlange. Sie warten darauf, ihren Nachmittagstee in dem Haus zu trinken, das in Hongkong Geschichte schrieb.
Das Peninsula Hongkong hat die Recherche durch freie Übernachtung unterstützt.