Indien

Telefoniert bald ein Inder mit Ihrem alten Smartphone?

Apple will gebrauchte iPhones in Indien importieren und verkaufen. Umweltschützer halten das für keine gute Idee.

Frederic Spohr Von Frederic Spohr
12. April 2016, Indien
Indien streitet darüber, ob es gebrauchte Smartphones importieren will. . Sudhamshu Hebbar, CC BY 2.0

Wer mit Handys Geld machen will, der sollte jetzt nach Indien gehen. Gerade einmal 220 Millionen der mehr als einer Milliarde Inder besitzen erst ein Smartphone. Doch die Rate steigt rapide an: Allein im vergangenen Jahr kauften sich 100 Millionen Inder ein neues Gerät.

Davon würde auch Apple gerne profitieren. Die Amerikaner haben allerdings ein Problem: Der indische Normalverdiener kann sich keine iPhones leisten. Der durchschnittliche Preis für ein Smartphone beträgt in Indien nur etwas mehr als 100 Euro. Das jetzt in Indien auf den Markt kommende iPhone SE kostet dort mehr als 500 Euro. Konsequenz: Nur 2 von 100 verkauften Smartphones in Indien stammte 2015 der Marktforschungsfirma Counterpoint zufolge aus dem Hause Apple.

Zu wenig für das Unternehmen, deswegen hat es bei der indischen Regierung eine Lizenz beantragt, um gebrauchte Smartphones importieren und verkaufen zu dürfen. So könnte es die Geräte günstig anbieten, ohne sein Image als Premium-Marke zu verlieren. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, wird Apples Anliegen derzeit zwischen den unterschiedlichen Ministerien der Regierung diskutiert. Laut der indischen Zeitung „Indian Express“ hat Apple bereits im Dezember 2015 die Lizenz beantragt und will demnach vor allem aus Geräte China nach Indien verschiffen.

Umweltschützer gegen alte Smartphones

Apple selbst will zu dem Vorgang kein offizielles Statement abgegeben. Nach 8MRD-Informationen dürfte Apple aber nicht nur aus  China alte Geräte holen, sondern aus der ganzen Welt. Sollte die indische Regierung einlenken, könnten bald auch genutzte deutsche iPhones ihren Weg nach Indien finden. Apple bietet seinen Kunden schon länger an, alte Smartphones einzuschicken – und dann gegebenfalls noch etwas dafür zu bezahlen oder zumindest umsonst zu entsorgen.

Umweltschützer raten der indischen Regierung allerdings davon ab, die Einfuhr gebrauchter Geräte zu erlauben. “Wir sind gegen den Import gebrauchter Elektrogeräte nach Indien”, sagt Abhishek Pratap, leitender Analyst bei Greenpeace in Indien dem Schwellenland-Blog 8MRD. “Die Vergangenheit hat gezeigt, dass solche Importe von multinationalen Konzernen dazu genutzt werden, ihren Abfall in Indien billig abzuladen.“ In Elektroschrott sind giftige Stoffe wie Blei oder Quecksilber enthalten.  Auf vielen inoffiziellen Schrottplätzen werden die Geräte oft unter großen Gefahren für Arbeiter und Umwelt entsorgt. Tatsächlich verbieten einige Elektrofirmen sogar ihren Recycling-Partnern, entsorgte Geräte in Schwellenländern mit niedrigen Standards zu exportieren.

Offenbar hat die indische Regierung ähnliche Bedenken – ein früherer Antrag von Apple wurde schon einmal abgelehnt. Die Begründung: Gebrauchte Handys würden schneller ihr Lebensende erreichen und folglich schneller zu Elektroschrott werden. Bei der Entscheidung der Regierung dürfte aber auch eine Rolle gespielt haben, dass sie die heimische Industrie vor den billigen Second-Hand-iPhones schützen möchte. Auch jetzt laufen Android-Herstersteller gegen die Pläne Apples Sturm.

Neuer Roboter soll helfen

Man muss sagen, dass Apple wohl keinen Schrott an die Inder verkaufen will: Nach 8MRD-Informationen sollen die Telefone den in Deutschland erhältlichen sogenannten „refurbished“ Geräten gleichen, die praktisch generalüberholt sind. Sie haben ein Jahr Garantie und durchlaufen die gleichen Tests, wie neue Produkte. Somit will das Unternehmen gewährleisten, dass die Geräte nicht gleich kaputt gehen und nicht mehr Elektroschrott entsteht.

Apple rühmt sich außerdem damit, ein im Vergleich zur Konkurrenz akribischer recycler zu sein: 85 Prozent des Gewichtes der vor sieben Jahren gekauften Geräte würden eingesammelt, sagt Apples Umweltbeauftragte Lisa Jackson. Künftig will es einen im März vorgestellten Roboter einsetzen, der ein iPhone 6S innerhalb von elf Sekunden in verwertbare Einzelteile zerlegen kann. Bisher ließ Unternehmen seine Geräte komplett zerschreddern und nutzte dann die Rohmaterialien wieder – von Greenpeace gab es für den neuen Ansatz Applaus.

Bei den Indien-Plänen ist die Organisation nun aber skeptisch: Apple sollte genau offenlegen, mit welchen Recycling-Partnern es in Indien zusammenarbeiten werde und wie es verhindern will, dass ältere Teile aus importierten Geräten eben doch auf inoffiziellen Müllkippen landen. Zumal Apple überlegt, die alten iPhones möglichweise in Indien zu überarbeiten. Das Untenrehmen will bisher dazu aber keine Auskunft geben.

Auch wenn die Second-Hand-Smartphones von Apple tatsächlich so lange leben sollten wie neue Smartphones, beruhigt das die Umweltschützer nicht. Sie befürchten, dass auch andere Hersteller ihre gebrauchten Geräte bald leichter auf den Subkontinent verschiffen könnten, sollte Apple die Lizenz bekommen. Schon jetzt versuchen laut Greenpeace viele Unternehmen in Kooperation mit Hilfsorganisationen in den Gebrauchtmarkt zu kommen: mit dem Argument, die digitale Kluft zu überbrücken und Handys als Instrument der Entwicklungshilfe einzusetzen. Greenpeace Analyst Pratap sieht darin allerdings keine Notwendigkeit: „Wir haben genug eigene alte Smartphones in Indien, die man aufbereiten könnte, und den Armen zur Verfügung stellen könnte.“

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3 Kommentare
  1. Julius 14. April 2016

    Nur jedes zweite von 100 verkauften Smartphones…
    Wohl eher nur zwei von 100 verkauften Smartphones 🙂

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    • Frederic Spohr
      Frederic Spohr 14. April 2016

      Danke für den Hinweis! Ändern wir.

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  2. […] Plan zur Kostensenkung scheiterte vorerst: Apple hatte vor, gebrauchte iPhones nach Indien zu importieren und sie dort zu einem reduzierten Preis zu verkaufen. Indiens Behörden verweigerten nach Protesten von Apples Konkurrenten bisher die Erlaubnis für […]

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